Wem gehört mein Kind? – Ein Gastbeitrag von Bárbara Teil zwei

Inhaltsverzeichnis

Intro zum zweiten Gastbeitrag aus der Reihe Elternsein & Inklusion

Hier geht es weiter mit dem zweiten Teil von Bárbaras Gastbeitrag! Falls du den ersten Teil noch nicht gelesen haben solltest, findest du ihn hier:

https://elisadiazperez.com/2021/03/wem-gehoert-mein-kind-ein-gastbeitrag-von-barbara/

Mitleid oder Romantisierung?

Großes Mitleid für behinderte Menschen und ihren Familienangehörigen kommt nicht selten vor – auch von Fachkräften. Ich selbst war überrascht, als ich einer Bekannten von der Geburt meines Kindes und ihrer Behinderung erzählte und sie mich tröstete, als ob eine große Tragödie passiert wäre. „Ich weiß, wovon ich spreche. Ich habe mehr als fünfzehn Jahre als Physiotherapeutin in einer heilpädagogischen Schule gearbeitet. Die Last für die Familie ist riesig“. Toll, dachte ich mir. Danke für die herzlichen Glückwünsche zur Geburt meines Kindes!

Auch die Romantisierung, die in den sozialen Medien zu sehen ist, überrascht mich sehr. Es ist nicht selten zu sehen, wie beispielsweise in den Medien, auch in den sozialen Medien, Bilder von Menschen mit Behinderung veröffentlich werden, in denen sie als Held*innen dargestellt werden. „Chromosom-Held*in“ oder „Tapferes Mädchen trotz Behinderung“. Kinder mit Behinderung sind keine Objekte der Inspiration. Dieses Phänomen entmenschlicht die Person und öffnet mehr Raum für toxische Beziehungen. 

Aber leider ist es nicht so leicht darüber zu sprechen. Weil gesellschaftlich gesehen gelten Ärzt*innen und Therepeut*innen als Autoritäten, die genau wissen, was sie tun. Anders herum werden die behinderten Menschen als eine zweite Kategorie von Menschen gesehen, die nicht viel wissen, auch nicht über ihr eigenes Sein. Dieses Phänomen wird durch die herrschenden gesellschaftlichen Machtstrukturen auf vielen Ebenen begünstigt. Wir können erst eine neue Realität schaffen, wenn wir über diese kollektiven Bilder sprechen! 

Für eine antiableistische Gesellschaft

Weil ich nicht nur mit meinem Mann unsere Tochter begleite, sondern mit einem großen Team von oft fremden Menschen, die in unser Haus und Leben eintreten, wünsche ich mir sehr, dass sie zusätzlich zu dem Fachwissen, das sie beherrschen, auch eine kritische Auseinandersetzung mit Fragen wie: “Glaube ich, dass ein Leben ohne Behinderung wertvoller ist? Richte ich meine Arbeit auf den Fokus, dass meine Patient*innen „normal“ werden und weniger behindert? Wie kann ich dazu beitragen, dass durch meine Beziehung zu meinen Patient*innen, diese ein gutes Selbstbewusstsein entwickeln? Validiere ich die Gefühle und Reaktionen des Kindes auf eine berechtigte Art?” treffen.

Um diese Realität zu verändern, muss noch vieles passieren, sei es auf einer politischen sowie individuellen Ebene. Empathie ist hier ein gutes Wort – es reicht aber leider nicht aus. Es braucht Bildung, Information, Sichtbarkeit über dieses Phänomen! Stimmen von behinderten Menschen und ihren Familien, oft nur durch eine Mutter repräsentiert, müssen gehört werden. Und Menschen mit Behinderung, jung und alt, sollten gut begleitet werden, damit sie einen gesunden Weg mit ihren Körpern und Stimmen entwickeln.  Sie sollen ermutigt werden, über ihre Erfahrung zu sprechen, selbst wenn diese vor vielen Jahren gewesen sind.

Anmerkung:  Da die Zahlen von Mädchen und Frauen mit Behinderung, die Missbrauchserfahrungen erlebt haben, sehr hoch ist, möchte ich hier auf die Arbeit von Frauen gegen Gewalt e.V. (www.frauen-gegen-gewalt.de) hinweisen. Sie bieten Unterstützung unter folgender kostenlosen Hilfenummer an: 0800/116016.

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