Die Besonderheiten des Schlafes
Warum brauchen wir Schlaf?
Jeder von uns braucht Schlaf. Als Säugling liegt der durchschnittliche Schlafbedarf sogar bei 16-18 Stunden. Das bedeutet, wir verbringen viele Monate (genau genommen bis zum zweiten Lebensjahr) mehr Stunden mit Schlafen als mit wach sein. Aber auch im Alter von 6 Jahren schlafen Kinder im Durchschnitt noch 11 Stunden.
Warum ist das wichtig? Schlaf erfüllt naturgemäß einen Sinn und Zweck weswegen es schwierig wird, wenn sich hier Störungen oder/und Auffälligkeiten zeigen. Außerdem wird hierdurch noch einmal deutlich, dass wir unseren Schlaf bei allen Herausforderungen & Stress im Alltag nicht aus den Augen verlieren sollten!
5 wissenswerte Dinge zum Schlaf
- Schlafen ist essentiell für das Immunsystem
- Im Schlaf werden Abläufe des Tages wiederholt & verarbeitet
- Im Schlaf werden in der Kindheit wichtige Hormone ausgeschüttet
- Schlaf ist bereits in der frühen Kindheit essentiell für die psychische Gesundheit
- Schlafen spielt eine zentrale Rolle in der kognitiven Entwicklung
Welche Auswirkungen hat Schlafmangel?
Schlafmangel hat weitreichende Konsequenzen für unsere Lebensqualität sowie Verhalten. Kinder sind gereizt, übermüdet und unruhig, wenn sie unter Schlafmangel leiden. Sie sind nicht in der Verfassung neue Aufgaben zu bewältigen, Prozesse ausreichend zu verarbeiten und häufig mündet Schlafmangel in herausforderndem Verhalten oder/und exzessivem Schreien.
Auf der anderen Seite stehen zudem die Eltern. Diese sind genauso gereizt, übermüdet, unruhig und weniger aufmerksam, wenn sie dauerhaft zu wenig schlafen. Ihr Rythmus ist durcheinander, das Energielevel gesunken und die Kapazität mit Herausforderungen umzugehen niedriger.
Schlafen Kinder mit Behinderung anders?
Kinder mit Behinderung und Schlafmangel
Ich kenne tatsächlich wenig Kinder mit Komplexer Behinderung, die nicht unter Schlafmangel leiden. Hier wähle ich beabsichtig den Begriff „Leiden“, da ich finde, dass Schlafmangel tatsächlich etwas ist unter dem alle Beteiligten leiden.
Bei vielen Störungsbildern sind Ein-/Durchschlafstörungen charakteristisch, sei es Autismus-Spektrum-Störung, Angelman-Syndrom, Epilepsie, uvm. Oft sind die Schlafstörungen auf Hormonmangel o. Ä. zurückzuführen, manchmal jedoch auch nicht medizinisch nachweisbar. Häufig sind Kinder medikamentös eingestellt, oft aber auch nicht. Bei vielen Familien lassen sich die Schlafschwierigkeiten jedoch (trotz Medikamente) nicht „in den Griff kriegen“. Als Konsequenz dessen, ist nicht nur der Schlaf des Kindes gestört, sondern auch der der Eltern.
Und wir kennen es alle: Ein paar Nächte zu wenig Schlaf hatten wir sicherlich alle schon einmal. Aber jede Nacht über Jahre hinweg zu wenig Schlaf ist eine ganz andere Nummer.
Was bedeutet ein ständiger Schlafmangel bei Kindern mit Behinderung für den Alltag?
Zu wenig Schlaf ist eine häufig unterschätzte Komponente in der Beratung bzw. im alltäglichen Umgang mit behindertem Kind. Ich persönlich frage bereits im Erstgespräch immer nach der Schlafsituation, da sie für mich einer der fünf größten „Stressfaktoren“ darstellt. Schlafmangel verändert auf Dauer (unbewusst) bei jedem von uns das Verhalten, die Lebensqualität, psychische Stabilität sowie Stimmung.
Einfluss auf die Eltern-Kind-Bindung
Bei der Eltern-Kind-Bindung geht es (seeehr grob zusammengefasst) um Feinfühligkeit, das Vermitteln von Sicherheit, Vertrauen, körperliche Nähe, Bedürfnissbefriedigung, Kommunikation und Verlässlichkeit. All diese Faktoren können langfristig meiner Meinung nach aber nur durch Eltern gewährleistet werden, die selbst stabil sind. Und wenn man als Eltern dauerhaft gereizt & übermüdet ist, wird es schwer diese Komponenten sowie Verhaltensweisen ohne weiteres abzurufen. Daher sehe ich akuten aber vor allem persistierenden Schlafmangel immer als Einflussfaktor auf die Eltern-Kind-Bindung an.
Was kannst du tun, um die Bindung zu stärken trotz Schlafmangel?
Was, wenn das Kind nun einmal dauerhaft (also in der Vergangenheit, Gegenwart & voraussichtlich auch Zukunft) Schlafstörungen hat? Ist die Bindung dann wirklich „gefährdet“?
Ich würde nicht behaupten, dass Schlafmangel immer zwingend eine Hürde in der Bindung zwischen Kind & Eltern darstellt, aber ich würde durchaus sagen, dass er nicht gerade förderliche bzw. unterstützende Umstände erschafft.
Daher hier eine kleine Liste, die euch unterstützen kann trotz Schlafmangel die Bindung zu eurem Kind zu stabilisieren:
- Sich bewusst machen, dass die gereizte Stimmung nicht an Passungsschwierigkeiten zwischen sich & Kind liegt, sondern am Schlafmangel
- Keine Schuldzuweisungen
- Das nächtliche Aufstehen unter euch Eltern aufteilen
- Wenn möglich tagsüber gemeinsam mit dem Kind einen Mittagsschlaf halten (je nach Berufstätigkeit & ob das Kind tagsüber überhaupt schläft)
- Verhaltensweisen des Kindes nicht als Provokation wahrnehmen, sondern als Konsequenz des Schlafdefizites (siehe dazu auch den letzten Blogpost
- entsprechende Hilfsmittel, usw. beantragen (z.B. Gitterbett, damit ihr als Eltern zumindest nicht mehr die Sorge habt, das Kind könnte aus dem Bett fallen)
- Entspannungsmöglichkeiten suchen (fällt vielen Eltern sehr schwer bzw. schwer mit dem Alltag zu vereinbaren, ist aber dringend notwendig)
- Ruheinseln im Alltag schaffen (es ist wichtig, den positiven Ausgleich zu belastenden Situationen aktiv beizubehalten)
- Das Kind nicht zum Schlafen zwingen wollen (führt meistens nur zu noch mehr Frustration auf beiden Seiten)
- Trotzdem versuchen eine Schlafhygiene aufrecht zu erhalten
- Sich immer & immer wieder bewusst machen, dass die Schlafstörung auch für euer Kind eine Herausforderung im Alltag darstellt bzw. dass sie Hormon bedingt ist & nicht etwas, das sich euer Kind „so ausgesucht hat“
- Sich professionelle Unterstützung suchen (v.a. bei Neugeborenen, um Schütteltrauma zu verhindern)
All diese Aspekte beinhalten relativ wenig praktische tools, das liegt daran, dass ich die Erfahrung gemacht habe, dass diese von Familie zu Familie stark variieren. Es ist hinsichtlich des Schlafens sehr unterschiedlich wie gravierend die Störung ist, welche Ursache zugrunde liegt usw. Aber ich glaube, dass alle Familien gemeinsam haben, dass es unumgänglich ist zu erkennen, dass Schlafmangel weitreichende Konsequenzen für den Alltag & im Miteinander haben kann.
für mehr Inspiration und Input zum Thema “Familien mit Kind mit Behinderung” findest du hier: